G. W. F. Hegels Philosophie im Verhältnis zu Rudolf Steiners Anthroposophie
Lektüreseminar

Zur Relevanz Hegels

In einem Brief an Eduard von Hartmann vom 1. November 1894 behauptete Rudolf Steiner von sich selbst: „Ich glaube mich von Hegel in gar nichts zu unterscheiden, sondern nur einzelne Konsequenzen seiner Lehre zu ziehen.“ In Rudolf Steiners später philosophischer Phase bis 1900 verdrängte Hegel immer mehr die Vorbildfiguren Fichte und Schelling und wurde seit der Hinwendung zur Theosophie zu Steiners weltanschaulichem Anknüpfungspunkt im deutschen Idealismus. Ganz besonders in Hegel und Goethe sah Rudolf Steiner zwei maßgebliche Repräsentanten der Menschheit innerhalb des Geisteslebens. So sagte Rudolf Steiner am 28. August 1909 bei einem Vortrag in München:

Er [Hegel] erscheint als derjenige, welcher in die Ätherhöhen, in die lichthellen Regionen des Denkens den Menschen heute führen kann, und für denjenigen, der sich befruchten lassen kann von Hegels kristallhellen und in Ätherhöhen schwebenden Gedankengängen, wird auch eine andere geistige Strömung, welche in der Menschheit gewaltet hat, verständlich.

Rudolf Steiner

Auch in der Zeit, als Rudolf Steiner durch die Anthroposophie zu wirken begann, sah er eine große Notwendigkeit im Denken Hegels. Anhand von Hegels metaphysisch-logischem Denken wollte Rudolf Steiner die Anleitung für eine anthroposophische Denk-Meditation vorgeben. So sagte er bei einem Vortrag am 13. November 1908 in Berlin:

Es ist für den Anthroposophen außerordentlich wichtig, sich in diese reinen Begriffe hineinzuarbeiten, durch die man von Stufe zu Stufe das gesamte Begriffsnetz gewinnt. Es ist außerordentlich nützlich und stellt eine außerordentlich fruchtbare Meditation dar, in den kristallklaren Begriffen Hegels zu leben, es ist ein wichtiges Erziehungsmittel für die Seele. Zugleich ist es ein Erziehungsmittel gegen alle Lässigkeit und Lottrigkeit der Begriffe, die werden gründlich ausgetrieben durch die Hegelsche Dialektik. Wenn man den Geist an der Hegelschen Dialektik trainiert hat, so hat man bei der Lektüre von Büchern moderner Schriftsteller häufig den Eindruck lottriger Begriffe.

Rudolf Steiner

Und bei einem Vortrag vom 26. Mai 1910 in Hamburg verlieh Rudolf Steiner der Wichtigkeit Hegels für das anthroposophische Wirken noch einmal Nachdruck, indem er sagte:

Und wenn schon ein nicht geschultes Denken in der äußeren Wissenschaft recht viel Unheil anrichtet, so wird gerade in der anthroposophischen Bewegung mehr noch als durch unrichtige Beobachtungen dadurch Unheil angerichtet, daß bei vielen das Interesse für die übersinnlichen Dinge nicht Hand in Hand geht mit einem gleich starken Interesse für das logische Denken. Und dieses rein logische Denken kann gerade durch eine Betrachtung des Denkens von Georg Wilhelm Friedrich Hegel ganz besonders geschult werden.

Rudolf Steiner

Das Interesse an übersinnlichen Dingen muss in der anthroposophischen Bewegung demnach Hand in Hand mit dem Interesse an reinem logischen Denken gehen.

Zur Organisation des Studienseminars

Der inhaltliche Gang des Studienseminars ist dreigeteilt:

1. wollen wir den Versuch wagen und Hegels reines logisches Denken erlernen. Hierfür werden wir uns intensiv mit seinem metaphysisch-logischem Hauptwerk, der Wissenschaft der Logik (1812 bis 1816) auseinandersetzen. Hierbei werden wir uns insbesondere auf die Kapitel zur Seinslogik („Erstes Kapitel: Sein“) und zur Daseinslogik („Zweites Kapitel: Dasein“) konzentrieren. Es empfiehlt sich, ein eigenes Exemplar der Wissenschaft der Logik mitzubringen. Ich würde hierfür den ersten Band der Logik aus dem Suhrkamp-Verlag empfehlen, den man auch gut in Bibliotheken ausleihen oder antiquarisch kaufen kann! (G.W.F. Hegel: Wissenschaft der Logik I. Werke 5. (Suhrkamp Verlag) Frankfurt am Main 1986.)
   Außerdem würde ich dazu raten, die betreffenden Kapitel vorbereitend zu lesen! Dieser Text Hegels gilt als einer der schwierigsten der Philosophiegeschichte überhaupt.
2. werden wir versuchen, uns Hegel aus anthroposophischer Perspektive zu nähern. Hierfür werden wir Auszüge aus Rudolf Steiners philosophischen Schriften und anthroposophischen Vorträgen lesen. Hierzu wird jeder teilnehmenden Person ein ausgedruckter Reader zur Verfügung gestellt werden.
3. werden wir uns den grundlegenden Gedanken Hegels nähern, wie er sie in anderen Werken zum Ausdruck bringt (Phänomenologie des Geistes; Grundlinien der Philosophie des Rechts). Auch hierfür wird es einen Reader geben, der gestellt wird.

Die wichtigsten Daten in Kürze

Die Übernachtung ist vor Ort. Es gibt Betten und Bettlaken, Schlafsack o.ä. muss aber selbst mitgebracht werden. Vollverpflegung ist im Teilnahmebeitrag enthalten.
Veranstaltungsort: Deichweg 14, 25856 Wobbenbüll. Anfahrt ist per Zug nach Husum. Von dort aus kann evtl. mit dem Auto abgeholt oder mit dem Bus weitergefahren werden.
Veranstaltungsbeginn: 25. Januar 2024, 18:00 Uhr
Veranstaltungsende: 28. Januar 2024, 14:00 Uhr
Teilnahmebeitrag: 50 Euro (um die Verpflegungskosten zu decken), bitte in bar mitbringen.

Anmeldung, Vorab-Anmeldung und Fragen: